ZURÜCK IN DEN RING: „LITTLE BOY“ LEBT! PORSCHE TARGA 911S

Fortsetzung der Targa-Story

Porsche 911 S Targa

Beim Erstbesitzer in den USA ging Little Boy vor mehr als dreißig Jahren unerwartet in die Knie. Doch die Zeit der Tiefschläge ist vorbei: Das Team der Klassik Garage hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den taumelnden Targa wieder auf die Beine zu bringen. Jetzt ist ER bereit für die Straße…


Anfang 2015: Die Ankunft des Containers aus den USA rückt näher. Mit an Bord: jener traurige Porsche 911 S Targa, dessen beschriebener Zustand eigentlich nicht allzu viel Hoffnung auf eine schnelle Genesung macht. Dennoch ist eine gewisse Anspannung im Team der Klassik Garage Kronberg nicht zu leugnen. Die Situation ist so ähnlich wie beim Überraschungssei: Da weiß man ja oft auch schon, was drin ist – und freut sich dennoch diebisch aufs Auspacken! Also, vielleicht steckt im Container ja doch ein Dornröschen, das eben nur mal wachgeküsst werden will?

Die Illusion vom Dornröschen löst sich beim Öffnen des Containers in lauter Rostpartikel auf…

Beim Öffnen der großen Kiste zerbröselt die schöne Illusion in ihre nicht vorhandenen Bestandteile. Genau wie die knusprige Karosserie von Little Boy, bei der gefühlt aus fast allen Poren der Rost rieselt. Leider steht der zitronengelbe Targa tatsächlich so trostlos da, wie es die zuvor von Klassiker-Scout Rick gesendeten Fotos bereits vermuten ließen. Schnell ist klar, dass dieser 911er ganz sicher nicht das ist, was anderswo als eine brauchbare Restaurierungsbasis bezeichnet werden würde…

Aber es bringt ja auch nichts, so einen Barn Find in die Ecke zu bugsieren. Das Ziel ist ohnehin schon klar anvisiert: Der Boxer soll wieder auf die Beine kommen! Denn so ein 1970er Ersthand-Targa ist heutzutage nun mal kaum mehr aufzutreiben – und Little Boy ein absoluter Glücksgriff. Wir rekapitulieren nochmal kurz das Schicksal des Porsche, der im April 1970 mit der Fahrgestellnummer 9110310479 vom Band lief: Rund zehn Jahre lässt Erstbesitzer David Brzezinski seinen Boxer im Ring; er sammelt dabei mutmaßlich genau jene 70.674 Meilen, die auf dem Speedometer stehen. Dann sorgt ein Motorschaden in den frühen Achtzigern für den vorzeitigen Knockout des Zuffenhauseners.

Vorzeitiger Knockout in den USA: Little Boy verbringt rund 30 Jahre im Wachkoma

Durch einen „Brandbeschleuniger“ in Form austretenden Öls im Heckabteil wird der Wagen zusätzlich schwer gezeichnet. Der waidwunde Porsche, den die Gattin des Besitzers liebevoll Little Boy nennt, verharrt rund 20 Jahre im Stillstand auf der Auffahrt, nur um anschließend als vermeintlicher Barn Find noch einmal einen längeren Zwischenstopp in einer Scheune in Pennsylvania einzulegen…

Back in good old Germany – zur Bestandsaufnahme: Bei schonungsloser Betrachtung gibt die Substanz des ausgeknockten Boxers allenfalls Anlass für einen Hauch Hoffnung. Ohne Fünkchen. Okay, das Interieur ist noch drin, die begehrten Fuchs-15-Zöller sind noch dran, und die ob ihres Formats unter Insidern nur Deep Six genannten Räder machen sogar einen brauchbaren Eindruck. Vielleicht tut’s ja auch noch das gute Becker Grand Prix, das seinerzeit als Extra zum Grundpreis von gut 30.000 Mark (oder rund 10.000 $) dazu bestellt werden musste.

Aber karosserieseitig ist es zunächst viel einfacher festzustellen, welche Bereiche nicht vom Rost angeknabbert oder bereits zerfressen sind: nämlich fast keine. Bodenbleche, Türen, Kotflügel, Seitenteile, Sitzmulden, Schweller, Abschlussbleche – die Karosserie ist quasi von oben bis unten vom braunen Berserker verwüstet. Wobei der Vorderbau mitsamt Windlauf noch den besten Eindruck macht, ebenso wie der Scheibenrahmen und der typische Targabügel.

Der erste Eindruck: vorwiegend rostig. Immerhin: Es ist noch alles dran

Wirklich besser wird es auch auf der technischen Seite nicht. Für die sich immerhin konstatieren lässt, dass noch alles dran ist. Der vorwiegend rostige Eindruck setzt sich aber leider auch bei vielen Bauteilen unterm Blechkleid fort: Klar, die Bremse ist betroffen, davon abgesehen gibt’s kaum ein Fahrwerksteil, das nicht mit fiesen Rostpickeln überzogen ist. Und dort, wo zum Beispiel die hinteren Achsschwerter soliden Halt haben sollten, geht’s blechseitig schon wieder ins Nirwana…

Lauter üble Details offenbart Little Boy, dabei war vom Triebwerk bis jetzt noch gar nicht die Rede. Oder besser gesagt dem arg mitgenommenen Klumpen Leichtmetall, den das Restaurierungs-Team aus dem Heck des Targas hievt… Nachdem die ersten Teile des Sechszylinder-Boxers demontiert sind, zeigt sich das Ausmaß des vor Jahrzehnten erlittenen Motorschadens in geradezu dramatischer Deutlichkeit: Offenbar hat der Pleuel des vierten Zylinders seinen angestammten Platz an der Kurbelwelle urplötzlich verlassen – und das bei ordentlicher Drehzahl. Was den unwiderstehlichen Weg erklärt, den sich das zerquetschte Gussteil quasi in einer Kettenreaktion gebahnt hat. Der führte nämlich nicht nur durch die Zylinderwand, sondern auch direkt durchs Magnesiumgehäuse des Blocks! Weshalb es zumindest leicht nachvollziehbar ist, dass sich austretendes Öl am heißen Krümmer entzündet und für das hübsche kleine Feuerchen gesorgt hat, das sämtliche Kunststoffteile ankokelte oder gar zusammenschmelzen ließ…

Heftiger Tiefschlag für den Boxer: Ein Pleuel geht urplötzlich in die Knie

Mangelhafte Schmierung oder Materialfehler? Die konkrete Ursache dafür, dass der Pleuel so urplötzlich in die Knie gegangen ist, lässt sich zwar nur schwer diagnostizieren und bleibt letztlich Spekulation. Fakt ist jedenfalls, dass der böse zugerichtete Boxer nach dieser desaströsen Diagnose eine mehr als gründliche Revision benötigt. Eine Aufgabe, die die Grenzen des technisch Machbaren in der Klassikgarage allerdings klar sprengt.
Das Triebwerk wird deshalb in die Hände eines Fachbetriebs mit umfangreichem Maschinenpark gegeben, der sich auch auf solche Härtefälle versteht. Und nach der kompletten Demontage der Technik, des Interieurs und aller Karosserieteile wandert auch das, von Little Boy noch übrig ist, genau dorthin. Denn der derangierte Rohbau bedarf auf der Richtbank (!) so umfangreicher und intensiver Restaurierungsarbeiten, wie sie nur ein erfahrener Karosseriebauer mit viel Know-how und vor allem der nötigen Ausrüstung realisieren kann.

Die Restaurierung geht an die Substanz – aber Little Boy behält seine Seele…

In der Zwischenzeit steht die natürlich auch für die demontierten Baugruppen in der Klassikgarage eine Frischzellenkur auf dem Programm. Wenn auch aus Zeit- und Kapazitätsgründen nicht alles parallel abläuft. Die oberste Prämisse lautet gleichwohl, so viel von der originalen Substanz als möglich zu retten, damit der Targa sozusagen seine Seele behält. Insofern soll alles, was sich einigermaßen sinnvoll retten lässt, nach Möglichkeit wieder an seinen Platz wandern.
In Sachen Verglasung zum Beispiel wird nur die Frontscheibe aussortiert, viele Teile des Interieurs (ja, auch das gute Becker!) können ebenso wiederverwendet werden. Wobei sich ein versierter Sattler um die Aufarbeitung der Sitze im Originaltrimm und weiterer Ausstattungsteile kümmert. Etliche Achsteile sind zwar oberflächlich mit Rost überzogen, mit viel Akribie lässt sich aber auch in diesem Punkt einiges an Substanzverlust vermeiden. Die Achsschwerter etwa werden zum Pulverbeschichten gegeben, und nachdem sie auf den (erstaunlich guten) Rundlauf geprüft sind, präsentieren sich bald auch die originalen Fuchsfelgen wieder wie neu.

Bis Little Boy mit allem Drum und Dran auf seinen eigenen Deep-Six-Rädern steht, bedarf es indes noch viel penibler Vorarbeit. Vor allem an der grundsanierten und in frischem Zitronengelb lackierten Karosserie, die zusammen mit den Hauben und Türen im Herbst 2017 wieder in der Klassikgarage eintrifft. Schritt für Schritt kann das Restaurierungsteam in den folgenden Monaten jene Puzzleteile zusammensetzen, die bereits akribisch für den Einbau vorbereitet sind. Komponenten wie etwa der Kabelbaum sind derweil noch Stückwerk – denn mit Hilfe des vorhandenen Musters muss ein komplett neuer Strang angefertigt werden.

They never come back? Unser Boxer steht bald wieder im Ring!

Die „Hochzeit“ ist somit zwar vorerst etwas verschoben. Der Bräutigam steht in Gestalt des wiedergenesenen Boxermotors allerdings bereit: Denn der Sechszylinder meldet sich schon einige Monate vorm Eintreffen der Karosserie kerngesund zurück. Dass bei seiner Herz-OP wesentliche Parameter wie Kolben, Buchsen und Teile des Ventiltriebs erneuert worden sind, versteht sich angesichts der Tiefschläge, die das Triebwerk einstecken musste, von selbst. Der 2,2-Liter kann jedoch auch dank einer Reihe revidierter Originalteile wieder tief Luft holen. Bestes Beispiel: der bearbeitete und fein gewuchtete Kurbeltrieb, der wieder die perfekte Welle macht! Insofern ist fast alles fürs Comeback unseres tapferen Boxers vorbereitet – der jetzt wird in den Ring steigen kann.

Little Boy steht ab jetzt zum Verkauf! Schreiben Sie uns eine Email: info@klassikgarage.com

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